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Bau & Infrastruktur Vision #3

Der Baustoffkreislauf

Um nachhaltigen Bau und Infrastruktur zu gewährleisten, müssen wir auch unseren Baustoffkreislauf optimieren. Müssen wir mehr oder besser recyceln? Ist es möglich, Graue Energie zu minimieren? Und was braucht es konkret, damit die eher konservative Baubranche mutiger wird betreffend Innovationen?

Die aktuellen Herausforderungen
Die Vision
Die Handlungsempfehlungen
Der Nutzen
Der Autor

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„Baumaterialien, Gebäude und Infrastrukturen werden in Zukunft so designt, dass ihre Wiederverwendung gesichert ist.“

Linus Grob, der Autor der Vision.

 

Die aktuellen
Herausforderungen

Wo stehen wir an und wieso? Wir haben folgende drei Herausforderungen identifiziert.

Hoher Materialdurchsatz

Die Schweiz weist aktuell einen Materialdurchsatz von rund 91 Mio. t pro Jahr auf. Die Baubranche trägt dazu mit einem Anteil von ⅔ bei und ist auch für einen sehr grossen Teil des Energieverbrauchs und der entsprechenden Emissionen verantwortlich. Dies ergibt sich primär aus der materialintensiven Errichtung und der energieverschwendenden Betriebsphase von Gebäuden und Anlagen, weshalb die Umstellung auf wiederverwendbare Materialien und auf erneuerbare Energien für Heizung, Kühlung und Strombedarf essenziell ist.

Graue Energie und Graue Emissionen

Aber je energieeffizienter ein Gebäude ist, desto stärker fallen – über den Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet – Graue Energie bzw. Graue Emissionen ins Gewicht. Diese werden primär durch die Herstellung von Materialien verursacht, zu einem geringeren Grad durch die Bau- und Transportaktivität.

 

Abfall und Downcycling

Die Relevanz der im Bau verwendeten Materialien und Bautechniken sticht auch beim Abfall heraus: Der Bausektor macht rund 80% des anfallenden Abfalls aus. Davon werden aktuell 70% der Wiederverwendung zugeführt (meist aber in Form eines Downcyclings, d.h. das Material kommt nicht mehr für den gleichen Einsatzzweck in Frage).

 

Die Lösung

Kreislaufwirtschaft. Wenn Abfall konsequent recycelt werden würde, würde weniger neues Material benötigt und der damit einhergehende Energie- und Rohstoffverbrauch deutlich reduziert. Noch besser ist die Aufbereitung und direkte Wiederverwendung ganzer Gebäudeelemente, z.B. von Fenstern, Fliesen, Fassadenelementen und als grundlegende Strategie, das Cradle-to-cradle-Prinzip. Dieser Ansatz plant bereits in der Designphase eines Produktes dessen spätere Wiederverwertbarkeit, was sich auf Aufbau und Zusammensetzung des Produkts auswirkt.

 

Doch diverse Schwierigkeiten stehen dem im Weg

  • In der Vergangenheit und auch heute noch verwendete Materialien sind oft gemischt und schwer zu trennen, was Wiederverwertung erschwert und, wenn überhaupt, zum Downcycling führt.
  • Die Geschäftsmodelle der Baubranche sind oft nicht auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtet. Wenn ein:e Immobilienentwickler:in ein Gebäude baut und verkauft, hat er:sie keinen Anreiz, langfristig denkend kreislauffähig zu bauen.
  • Die Baubranche ist mit neuen Konstruktionstechniken und Materialien noch wenig vertraut. Gleichzeitig ist sie tendenziell konservativ, sicherheitsorientiert und arbeitet mit geringen Margen. Das erschwert Innovation.
  • Es fehlen Anreize, z.B. im Mehrwertsteuersystem.

 

Die Vision

Baumaterialen, Gebäude und Infrastruktur werden in Zukunft so designt, dass ihre Wiederverwendung gesichert ist.

Kreislauffähige Bauwirtschaft

Wir streben eine Bauwirtschaft mit minimalem ökologischen Fussabdruck an, die für die lokale Gemeinschaft Wert produziert (in Form von lokaler Wertschöpfung oder -erhaltung) und den Nutzen für die späteren Nutzer und Besitzer maximiert.

Dies erreicht sie durch eine 100%ige-Kreislauffähigkeit. Materialien, die aufgrund von Kontamination oder geringer Qualität nicht wiederverwertet werden können – und somit als Abfall gelten – gibt es nicht mehr. Jedes Gebäude, jede Infrastruktur ist gleichzeitig eine “Materialbank”, die die enthaltenen Wertstoffe speichert, bis sie am Ende der Lebensdauer der Anlage wieder freigegeben werden.

So stellt sich KI eine kreislauffähige Bauuwirtschaft vor.

Dies sorgt dafür, dass wir weniger neue natürliche Rohstoffe aus dem In- und Ausland benötigen und stattdessen Wert aus den bereits vorhandenen ziehen können, was die lokale Wertschöpfung ebenso erhöht wie die Resilienz gegenüber Problemen in der Lieferkette.

 

Die Baustoffe der Zukunft

  • sind deshalb zu 100% wiederverwendbar (in ihrer Gesamtheit) oder wiederverwertbar (Recycling der Bestandteile)
  • bestehen ihrerseits zu einem grösstmöglichen Anteil aus wiederverwendeten oder recycelten Materialien
  • weisen einen minimalen oder gar negativen CO2-Fussabdruck auf
  • sind gesundheitlich unbedenklich
So stell sich KI eine Baustelle mit den Baustoffen der Zukunft vor.

 

Die Handlungsempfehlungen

Um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen, empfehlen wir die folgenden Massnahmen.

Die Massnahmen

  • Gesetzliche Rahmenbedingungen
  • Leuchtturmprojekte, die zeigen, was bereits heute möglich ist und in Einzelfällen auch schon bei grösseren Massstab getan wird (z.B. Verwendung modularer “geklipster” Fassadenelemente). Von diesen Erfolgsprojekten muss man lernen und ihre Erfolgsrezepte verbreiten. Projekte in der Schweiz könnten z.B. über Tage der offenen Tür der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
  • Die Baubranche ist tendenziell konservativ und arbeitet mit geringen Margen. Dies erhöht das Risiko bei Anwendung neuer Baumaterialien oder Konstruktionstechniken. Innovationsförderung bedingt deshalb auch ein “Derisking” innovativer Bauprojekte: Kann der Staat durch Übernahme von Garantien das Risiko von Innovationen reduzieren (z.B. falls Kosten aus dem Ruder laufen) und so zu mehr Experimentierfreudigkeit animieren?
  • Schweizweite kurz-, mittel- und langfristige Ziele für Ressourceneffizienz sowie eine Strategie, diese zu erreichen.
  • Plattformen, die Anbieter:innen und Verwender:innen von Sekundärrohstoffen oder gebrauchten Gebäudeelementen zusammenbringen (Ricardo für Gebäudeteile, Gebäudetechnik, Materialien)
  • Verstärktes öffentliches Interesse, damit Engagement auch mit PR belohnt wird.

 

 

Der Nutzen

Die Nutzen einer durchdachten Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche sind vielfältig und decken alle drei Säulen des klassischen Konzepts der Nachhaltigkeit ab.

Ökologie

  • Das anfallende Abfallvolumen wird mittel- bis langfristig reduziert.
  • Die über die Wertschöpfungskette der Baumaterialien verbrauchte Energie und insbesondere generierten Emissionen werden reduziert durch die Verringerung von Transport und Produktion neuer Materialien
  • Reduzierte Auswirkungen der Rohmaterialextraktion auf lokale Ökosysteme

Soziales

  • Eine vereinfachte Reparierbarkeit hat Potenzial, Wertschöpfung lokal zu halten und somit das lokale handwerkliche Gewerbe zu stärken.
  • Dadurch, dass die künftige Umnutzung von auf Flexibilität angelegten Gebäuden weniger Zeit benötigt und Kosten verursacht, dürfte es einfacher werden, veränderten Bedürfnissen von Bevölkerung und Wirtschaft gerecht zu werden, z.B. durch die Umnutzung von urbanen Büros als Wohnraum.

Ökonomie

  • Langfristige Kosten & Flexibilität: Indem die Reparatur und der Ersatz von Gebäudeelementen vereinfacht wird, dürften die Unterhaltskosten von Gebäuden langfristig sinken.
  • Der Residualwert des nach Kreislaufprinzipien gebauten Gebäudebestands ist stabiler. Er ergibt sich nicht nur aus dem Marktwert von Grundstück und Gebäude, sondern auch aus den darin werterhaltend gespeicherten Materialien. Die einfachere Umnutzung verringert zudem das Risiko der Obsolenz durch veränderte Marktbedürfnisse
  • Sicherung strategischer Ressourcen: Durch die verstärkte Nutzung von Urban Mining sinkt der Bedarf nach ausländischen Metallen und anderen knappen Ressourcen wie Sand oder Schotter.

 

Über den Autor.

Wir danken Linus ganz herzlich für seinen Beitrag. Die Ideen und Texte sind im Rahmen des Projekts „Vision Schweiz 2050“ des glp lab entstanden. Dabei wurden diese im Bau & Infrastruktur-Team und z.T. mit externen Expert:innen diskutiert und kommentiert. Nichtsdestotrotz legen wir bei diesem Projekt wert darauf, dass individuelle und zum Teil unkonventionelle Sichtweisen und Ideen Raum finden.

„Ich arbeite in Brüssel als Nachhaltigkeitsberater an der Dekarbonisierung der Immobilienwirtschaft, mit besonderem Fokus auf Kreislaufwirtschaft.“

Linus Grob
Sustainability Consultant

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