Vision Gesundheit #1
Das heutige Gesundheitssystem fördert eine lange Behandlung bei hochspezialisierten Leistungserbringern. Hausärzte sind nur die “Eingangspforte” und werden danach wieder über den Behandlungsabschluss informiert. Das wollen wir ändern.
âžť Die aktuellen Herausforderungen
âžť Die Vision
âžť Die Handlungsempfehlungen
âžť Die Autoren
Joel, Peter und Nico – die Autoren der Vision.
Wo stehen wir an und wieso? Wir haben folgende Herausforderungen identifiziert.
Das heutige Gesundheitssystem fördert eine lange Behandlung bei hochspezialisierten Leistungserbringern. Hausärzte sind nur die “Eingangspforte” und werden danach wieder über den Behandlungsabschluss informiert.
Das führt dazu, dass Zentrumsversorger oft und lange Versorgungsaufgaben durchführen, welche regional oder ambulant günstiger durchgeführt werden könnten.
„Wir streben ein integriertes digitales Gesundheitswesen an, in dem der Grundversorger als Dreh- und Angelpunkt fungiert, damit die Rahmenbedingungen fĂĽr eine wirksam-zweckmässig-wirtschaftlich konforme, präventive und nachhaltige Gesundheitsversorgung in allen Landesteilen gestärkt werden.“
Wir streben eine möglichst tief integrierte Gesundheitsversorgung im Jahr 2050 an. Dem Grundsatz nach sollen daher die Behandlungen im Jahr 2050 ambulant durchgefĂĽhrt werden (Stichwort: AVOS), wenn die Leistungen im ambulanten Setting wirtschaftlicher erbracht werden können und aus medizinischer Sicht keine GrĂĽnde fĂĽr eine stationäre Behandlung sprechen. Die Tarifstrukturen sind darauf auszurichten, dass Anreize fĂĽr Leistungserbringer bestehen, Behandlungen – wenn immer medizinisch möglich – ambulant durchzufĂĽhren.
Ob und inwieweit eine ambulante Behandlung durchzuführen ist, soll durch den Grundversorger entschieden werden, indem dieser die Patienten einer ambulanten oder stationären Behandlung bei einem Leistungserbringer zuweist. Der Grundversorger wird Behandlungen im Zusammenspiel zwischen ambulanten und stationären Leistungserbringern als Scharnierstelle planen und auf deren WZW-Konformität hin überprüfen. Im Rahmen dieser Tätigkeit des Grundversorgers muss zwingend sichergestellt werden, dass derjenige, der einen Patienten einer Behandlung zuweist, nicht derjenige ist, der von dieser Zuweisung (durch entsprechende Behandlungen) selbst finanziell profitiert.
Im Jahr 2050 soll das Gesundheitswesen digital(er) sein, damit die Behandlungen durch personalisierte Medizin verbessert werden können. Dazu braucht es in erster Linie einen Gesundheitsdatenraum in der Schweiz, der sicherstellt, dass Leistungserbringer auf anonymisierte Patientendaten jederzeit zugreifen können, um wirksamere Behandlungen (z.B. im Bereich der Onkologie) planen und durchführen zu können.
Daneben mĂĽssen im Gesundheitswesen innovative Technologien – zu nennen sind hier z.B. KĂĽnstliche Intelligenz (KI), Roboter, Telemedizin etc. – zum Einsatz gelangen, damit Patienten auch von zu Hause aus behandelt werden können. So z.B. ermöglichen telemedizinische Lösungen eine ressourceneffiziente Triage und Behandlung, aber auch eine (postoperative) FernĂĽberwachung und -beratung bis zum Ende einer Behandlung, weshalb mit dieser Technologie die Aufenthaltsdauer nach einem stationären Eingriff verkĂĽrzt werden kann, was die Kosten einer Behandlung insgesamt reduziert. Anhand der Telemedizin zeigt sich, dass der Einsatz innovativer Technologien nicht nur die Gesundheitskosten reduzieren kann, sondern auch den ökologischen Fussabdruck der Patienten reduzieren kann, weil der Patient an seinem Wohnort behandelt wird und daher nicht mehr zwingend zum Leistungserbringer fahren muss.
Nicht unberücksichtigt darf bleiben, dass innovative Technologien wie (Pflege-)Roboter auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken können, indem das ärztliche und nicht-ärztliche Personal durch Roboter von Alltagstätigkeiten entlastet werden.
Damit eine WZW-konforme Gesundheitsversorgung im Jahr 2050 verwirklicht werden kann, muss die Gesundheitskompetenz der Patienten mit Blick auf die Vermeidung von unnötigen Behandlungen gestärkt werden. Ein ressourceneffizientes Gesundheitssystem zielt dabei nicht nur auf die Behandlung von Krankheiten ab, sondern schafft zudem Rahmenbedingungen für eine präventive Gesundheitsvorsorge, die der Patient in Eigenverantwortung wahrnimmt. Damit die Patienten selbst in die Prävention und damit Vorbeugung von Krankheiten investieren, braucht es finanzielle Anreize im System (z.B. durch Gutschriften bei Prämien bei gesundem Lebensstil).
Um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen, empfehlen wir die folgenden Massnahmen.
Die Behandlungen sind grundsätzlich – wo medizinisch sinnvoll – ambulant durchzufĂĽhren (AVOS), was tariflich entsprechend abgebildet werden muss. Ambulante Behandlungen und damit ambulante Leistungserbringer (insbesondere Grundversorger) sind folglich zukĂĽnftig besser zu vergĂĽten. Ob eine Behandlung ambulant oder stationär erfolgt, bestimmt in erster Linie der Grundversorger (anhand von medizinischen und wirtschaftlichen Kriterien).
Die Grundversorger beauftragen Spezialisten und beraten die Patient:innen hinsichtlich der nächsten Schritte in ihrem Behandlungspfad. Geeignete Massnahmen in den Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen ermöglichen eine ausreichende personelle Kapazität in der Grundversorgung, wozu auch Massnahmen wie die Abschaffung des Numerus Clausus sowie der Zulassungsbeschränkung für Grundversorger zählen. Die Kompetenz der Grundversorger in der Triagierung erfordert eine spezifische Schulung und den Zugang zu digitalen Expertensystemen bzw. Wissensdatenbanken.
Die Vision für 2050 sieht den Einsatz von innovativen Technologien (z.B. KI, Robotik, Telemedizin etc.) vor, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, richtig zu steuern und somit den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen abzufedern. Stationäre Leistungserbringer sollen u.a. mit telemedizinischen Services die Zahl an Betten reduzieren und so die Anzahl Spitaltage pro 100’000 Einwohner reduzieren.
Die Einführung digitaler Patientenakten und interoperabler Systeme im Sinne eines Gesundheitsdatenraumes Schweiz erleichtert den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Leistungserbringern und verbessert die Zusammenarbeit der Fachkräfte. Dies trägt nicht nur zur Vermeidung von Redundanzen bei, sondern erhöht auch die Behandlungsqualität (z.B. dank personalisierter Medizin).
Eine präventive Gesundheitsvorsorge setzt voraus, dass einerseits Leistungserbringer für Leistungen der Gesundheitsvorsorge vergütet werden. Andererseits müssen die Patient:innen für einen gesunden Lebensstil belohnt werden, indem sie z.B. Gutschriften bei Prämien erhalten. Solche Anreize sind gerechtfertigt, weil diese die Gesundheitskosten insgesamt pro Menschenleben reduzieren.
Die Gesundheitsversorgung kann nur effizient und damit wirtschaftlich erbracht werden, wenn die Regulierungsdichte reduziert wird bei gleichzeitiger Stärkung der Eigenverantwortung sämtlicher Akteure, wozu Qualität und Effizienz tariflich belohnt werden müssen.
Wir danken Joel, Peter und Nico ganz herzlich fĂĽr ihren Beitrag. Die Ideen und Texte sind im Rahmen des Projekts „Vision Schweiz 2050“ des glp lab entstanden. Dabei wurden diese im Gesundheits-Team und z.T. mit externen Expert:innen diskutiert und kommentiert. Nichtsdestotrotz legen wir bei diesem Projekt wert darauf, dass individuelle und zum Teil unkonventionelle Sichtweisen und Ideen Raum finden.
Joel Drittenbass
Jurist
Peter Schönenberger
Dr. med. Peter Schönenberger, Hausarzt
Nico Zehnder
CEO Medi 24
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