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Vision Gesundheit #1

Die Versorgungsstruktur

Das heutige Gesundheitssystem fördert eine lange Behandlung bei hochspezialisierten Leistungserbringern. Hausärzte sind nur die “Eingangspforte” und werden danach wieder über den Behandlungsabschluss informiert. Das wollen wir ändern.

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„Wir streben ein integriertes digitales Gesundheitswesen an, in dem der Grundversorger als Dreh- und Angelpunkt fungiert, damit die Rahmenbedingungen fĂĽr eine wirksam-zweckmässig-wirtschaftlich konforme, präventive und nachhaltige Gesundheitsversorgung in allen Landesteilen gestärkt werden.“

Joel, Peter und Nico – die Autoren der Vision.

 

Die aktuellen
Herausforderungen

Wo stehen wir an und wieso? Wir haben folgende Herausforderungen identifiziert.

Die Hauptherausforderung

Das heutige Gesundheitssystem fördert eine lange Behandlung bei hochspezialisierten Leistungserbringern. Hausärzte sind nur die “Eingangspforte” und werden danach wieder über den Behandlungsabschluss informiert.

Das führt dazu, dass Zentrumsversorger oft und lange Versorgungsaufgaben durchführen, welche regional oder ambulant günstiger durchgeführt werden könnten.

Wieso tritt das Problem auf?

  • Die Rollen und Aufgaben der Grundversorger und Spezialisten sind zu ungenau definiert, weshalb im Alltag die Behandlungen nicht zwingend dort erbracht werden, wo sie kostengĂĽnstig(er) sind. Das Gesamtkonzept der verschiedenen Rollen und deren Zusammenwirken ist weder den Leistungserbringern noch den Patienten klar.
  • Die Kapazität der Grundversorgerpraxen ist eingeschränkt, da nur technische Leistungen (z.B. Labor und Röntgenuntersuchungen) an medizinische Praxisassistentinnen (MPA) delegiert werden können. Beratungsleistungen durch medizinische Praxiskoordinatorinnen (MPK), advanced nurse practitioners (APN), Gesundheitspsycholog:innen (u.a. in der Prävention) können nicht abgerechnet werden.
  • Im Alltag ist der Datenaustausch entweder nicht vorhanden oder dieser wird zu wenig (zugunsten des Patienten) genutzt (z.B. Laborwerte sind nicht einheitlich ĂĽber das EPD auswertbar oder bildgebende Verfahren werden nicht zentral abgelegt).
  • Die Tarifstruktur setzt falsche Anreize, weil Behandlungen auch von Leistungserbringern durchgefĂĽhrt werden, die eine WZW-konforme DurchfĂĽhrung nicht bzw. nur bedingt gewährleisten.
  • Der Föderalismus fördert eine dezentrale Spitalplanung, die dazu fĂĽhrt, dass es zu einer Mengenausweitung kommt.
  • Die dezentrale Planung sowie die hohe Regulierungsdichte wirken sich innovationshemmend aus und fĂĽhren zu hoher BĂĽrokratie im Gesundheitswesen (z.B. zeigen jĂĽngste Berichte, dass das Stellenwachstum bei Spitälern insbesondere im Verwaltungsbereich erfolgt).

 

Die Vision

„Wir streben ein integriertes digitales Gesundheitswesen an, in dem der Grundversorger als Dreh- und Angelpunkt fungiert, damit die Rahmenbedingungen fĂĽr eine wirksam-zweckmässig-wirtschaftlich konforme, präventive und nachhaltige Gesundheitsversorgung in allen Landesteilen gestärkt werden.“

Ambulante Gesundheitsversorgung mit Grundversorger als Dreh- und Angelpunkt

Wir streben eine möglichst tief integrierte Gesundheitsversorgung im Jahr 2050 an. Dem Grundsatz nach sollen daher die Behandlungen im Jahr 2050 ambulant durchgefĂĽhrt werden (Stichwort: AVOS), wenn die Leistungen im ambulanten Setting wirtschaftlicher erbracht werden können und aus medizinischer Sicht keine GrĂĽnde fĂĽr eine stationäre Behandlung sprechen. Die Tarifstrukturen sind darauf auszurichten, dass Anreize fĂĽr Leistungserbringer bestehen, Behandlungen – wenn immer medizinisch möglich – ambulant durchzufĂĽhren.

Ob und inwieweit eine ambulante Behandlung durchzuführen ist, soll durch den Grundversorger entschieden werden, indem dieser die Patienten einer ambulanten oder stationären Behandlung bei einem Leistungserbringer zuweist. Der Grundversorger wird Behandlungen im Zusammenspiel zwischen ambulanten und stationären Leistungserbringern als Scharnierstelle planen und auf deren WZW-Konformität hin überprüfen. Im Rahmen dieser Tätigkeit des Grundversorgers muss zwingend sichergestellt werden, dass derjenige, der einen Patienten einer Behandlung zuweist, nicht derjenige ist, der von dieser Zuweisung (durch entsprechende Behandlungen) selbst finanziell profitiert.

Digitales und innovatives Gesundheitswesen

Im Jahr 2050 soll das Gesundheitswesen digital(er) sein, damit die Behandlungen durch personalisierte Medizin verbessert werden können. Dazu braucht es in erster Linie einen Gesundheitsdatenraum in der Schweiz, der sicherstellt, dass Leistungserbringer auf anonymisierte Patientendaten jederzeit zugreifen können, um wirksamere Behandlungen (z.B. im Bereich der Onkologie) planen und durchführen zu können.

Daneben mĂĽssen im Gesundheitswesen innovative Technologien – zu nennen sind hier z.B. KĂĽnstliche Intelligenz (KI), Roboter, Telemedizin etc. – zum Einsatz gelangen, damit Patienten auch von zu Hause aus behandelt werden können. So z.B. ermöglichen telemedizinische Lösungen eine ressourceneffiziente Triage und Behandlung, aber auch eine (postoperative) FernĂĽberwachung und -beratung bis zum Ende einer Behandlung, weshalb mit dieser Technologie die Aufenthaltsdauer nach einem stationären Eingriff verkĂĽrzt werden kann, was die Kosten einer Behandlung insgesamt reduziert. Anhand der Telemedizin zeigt sich, dass der Einsatz innovativer Technologien nicht nur die Gesundheitskosten reduzieren kann, sondern auch den ökologischen Fussabdruck der Patienten reduzieren kann, weil der Patient an seinem Wohnort behandelt wird und daher nicht mehr zwingend zum Leistungserbringer fahren muss.

Nicht unberücksichtigt darf bleiben, dass innovative Technologien wie (Pflege-)Roboter auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken können, indem das ärztliche und nicht-ärztliche Personal durch Roboter von Alltagstätigkeiten entlastet werden.

Die Technologie wurde entwickelt, um (besser) genutzt zu werden.

WZW-konforme und präventive Gesundheitsversorgung

Damit eine WZW-konforme Gesundheitsversorgung im Jahr 2050 verwirklicht werden kann, muss die Gesundheitskompetenz der Patienten mit Blick auf die Vermeidung von unnötigen Behandlungen gestärkt werden. Ein ressourceneffizientes Gesundheitssystem zielt dabei nicht nur auf die Behandlung von Krankheiten ab, sondern schafft zudem Rahmenbedingungen für eine präventive Gesundheitsvorsorge, die der Patient in Eigenverantwortung wahrnimmt. Damit die Patienten selbst in die Prävention und damit Vorbeugung von Krankheiten investieren, braucht es finanzielle Anreize im System (z.B. durch Gutschriften bei Prämien bei gesundem Lebensstil).

 

Die Handlungsempfehlungen

Um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen, empfehlen wir die folgenden Massnahmen.

Ambulantisierung (AVOS)

Die Behandlungen sind grundsätzlich – wo medizinisch sinnvoll – ambulant durchzufĂĽhren (AVOS), was tariflich entsprechend abgebildet werden muss. Ambulante Behandlungen und damit ambulante Leistungserbringer (insbesondere Grundversorger) sind folglich zukĂĽnftig besser zu vergĂĽten. Ob eine Behandlung ambulant oder stationär erfolgt, bestimmt in erster Linie der Grundversorger (anhand von medizinischen und wirtschaftlichen Kriterien).

Die Grundversorger beauftragen Spezialisten und beraten die Patient:innen hinsichtlich der nächsten Schritte in ihrem Behandlungspfad. Geeignete Massnahmen in den Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen ermöglichen eine ausreichende personelle Kapazität in der Grundversorgung, wozu auch Massnahmen wie die Abschaffung des Numerus Clausus sowie der Zulassungsbeschränkung für Grundversorger zählen. Die Kompetenz der Grundversorger in der Triagierung erfordert eine spezifische Schulung und den Zugang zu digitalen Expertensystemen bzw. Wissensdatenbanken.

Digitalisierung und Einsatz innovativer Technologien

Die Vision für 2050 sieht den Einsatz von innovativen Technologien (z.B. KI, Robotik, Telemedizin etc.) vor, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, richtig zu steuern und somit den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen abzufedern. Stationäre Leistungserbringer sollen u.a. mit telemedizinischen Services die Zahl an Betten reduzieren und so die Anzahl Spitaltage pro 100’000 Einwohner reduzieren.

Die Einführung digitaler Patientenakten und interoperabler Systeme im Sinne eines Gesundheitsdatenraumes Schweiz erleichtert den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Leistungserbringern und verbessert die Zusammenarbeit der Fachkräfte. Dies trägt nicht nur zur Vermeidung von Redundanzen bei, sondern erhöht auch die Behandlungsqualität (z.B. dank personalisierter Medizin).

Förderung der Gesundheitsvorsorge

Eine präventive Gesundheitsvorsorge setzt voraus, dass einerseits Leistungserbringer für Leistungen der Gesundheitsvorsorge vergütet werden. Andererseits müssen die Patient:innen für einen gesunden Lebensstil belohnt werden, indem sie z.B. Gutschriften bei Prämien erhalten. Solche Anreize sind gerechtfertigt, weil diese die Gesundheitskosten insgesamt pro Menschenleben reduzieren.

Reduktion der Regulierungsdichte und Preistransparenz

Die Gesundheitsversorgung kann nur effizient und damit wirtschaftlich erbracht werden, wenn die Regulierungsdichte reduziert wird bei gleichzeitiger Stärkung der Eigenverantwortung sämtlicher Akteure, wozu Qualität und Effizienz tariflich belohnt werden müssen.

  • Die Preistransparenz wirkt sich dreifach positiv auf die Versorgungsstruktur und das Gesundheitswesen insgesamt aus:
    Fördert Wettbewerb: Preistransparenz ermöglicht Patienten, Preise zu vergleichen und Anbieter zu wechseln, was zu mehr Wettbewerb und niedrigeren Kosten führt.
  • Stärkt Patienten: Patienten können informierte Entscheidungen ĂĽber ihre Behandlung treffen, wenn sie die Kosten kennen und die Qualität vergleichen können.
  • Verbesserte Effizienz: Preistransparenz kann zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen im Gesundheitswesen fĂĽhren, da Anbieter ihre Preise besser kalkulieren und unnötige Ausgaben vermeiden mĂĽssen, insbesondere die Technologie zum Wohle der Patienten erhält dadurch mehr Gewicht.

 

Ăśber die Autoren.

Wir danken Joel, Peter und Nico ganz herzlich fĂĽr ihren Beitrag. Die Ideen und Texte sind im Rahmen des Projekts „Vision Schweiz 2050“ des glp lab entstanden. Dabei wurden diese im Gesundheits-Team und z.T. mit externen Expert:innen diskutiert und kommentiert. Nichtsdestotrotz legen wir bei diesem Projekt wert darauf, dass individuelle und zum Teil unkonventionelle Sichtweisen und Ideen Raum finden.

„Klare Versorgungsstrukturen helfen, das Schweizer Gesundheitswesen fit fĂĽr die Zukunft zu machen.“

Joel Drittenbass
Jurist

„Menschen können sich in persönlichen Gesundheitsfragen fĂĽr nĂĽtzliche Massnahmen zum richtigen Zeitpunkt entscheiden.“

Peter Schönenberger
Dr. med. Peter Schönenberger, Hausarzt

„Die passende Versorgungsstufe zur rechten Zeit am richtigen Ort!“

Nico Zehnder
CEO Medi 24

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