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Vision Gesundheit #4

Wie wir die Kostenexplosion umkehren

Das Problem der explodierenden Gesundheitskosten ist seit langer Zeit bekannt. Trotzdem lässt die Lösung dieses Problems auf sich warten. Unser Visionär nennt die einzelnen Herausforderungen beim Namen und zeigt faire und nachhaltige Lösungsansätze auf.

Die aktuellen Herausforderungen
Die Vision
Die Handlungsempfehlungen
Der Autor

Die Prämien in der Obligatorischen Kranken- und Pflegeversicherung (OKP) entsprechen 2050 inflationsbereinigt den Prämien vom Jahr 2000, ohne dass Leistung und Qualität darunter leiden.

Anonymus – Der Autor der Vision.

Die aktuellen
Herausforderungen

Wo stehen wir an und wieso? Folgende Herausforderungen wurden identifiziert.

Hauptherausforderung

Das heutige Gesundheitssystem ist nicht nachhaltig, da die jährliche Kostensteigerung deutlich über der vom Bundesamt für Statistik (BFS) ausgewiesenen Inflationsrate (in der die Prämien der OKP als solche nicht berücksichtigt sind) liegt. Die Standardprämien in der OKP haben sich von 1996-2024 von 173 auf 554 Franken erhöht. Das ist mehr als drei mal so viel wie im Jahr 1996 (Quelle: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung, BAG.). Setz sich diese Kostenstigerung fortExtrapoliert  man dies auf das Jahr 2050, wird die Prämie im Jahr 2050 knapp 1600.- pro Monat betragen. Die Kosten des Gesundheitssystems insgesamt stiegen von 8.9 % (1996) auf 11.9 % (2021) des BIP. Immer mehr Privathaushalte kommen wegen der steigenden Prämienlast an ihre finanziellen Grenzen, da die Prämien wesentlich schneller steigen als die Gehälter.

Laut der Eidgenössischen Finanzverwaltung bringen die steigenden Ausgaben für die Prämienvergünstigungen sogar den Bundeshaushalt aus dem Gleichgewicht (Bundesrat legt Eckwerte der Finanzplanung für die kommende Legislatur fest (admin.ch).

Es ist festzustellen, dass «… insbesondere im Rahmen bestimmter Vergütungssysteme unnötige medizinische Leistungen angeboten werden. Man bezeichnet dies als Hypothese der anbieterinduzierten Nachfrage (Evans, 1974). Kurz zusammengefasst, beschreibt sie eine Situation, in der ein Arzt aufgrund des Vergütungssystems einen starken Anreiz hat, die Nachfragekurve der Patient:innen in die Richtung der eigenen Interessen zu verschieben (Johnson, 2014). Er wird dann Überzeugungsarbeit leisten, um die Nachfrage der Patient:innen nach zusätzlichen medizinischen Leistungen zu fördern, bis seine Grenzkosten erreicht sind. Diese Beeinflussung ist möglich, weil Ärzte über medizinisch-technische Informationen, Informationen über den Zustand der Patient:innen und über Behandlungen verfügen. In der Regel sind den Patient:innen diese sehr teuren oder schwer zu beschaffenden Informationen nicht bekannt. Sie verlassen sich auf das Fachwissen ihres Arztes oder ihrer Ärztin und vertrauen derenEmpfehlungen. Folglich kann insbesondere bei bestimmten Vergütungssystemen wie dem Einzeltarifsystem ein Überangebot an medizinischen Leistungen entstehen, das sich auf der Seite des Marktangebots vor allem durch das Verhalten der praktizierenden Ärzte erklären lässt.» Aus: Zusatzversicherungen tragen zu mehr Spitalaufenthalten bei 

«Die Anzahl Arztbesuche pro Patientin und Patient ist stabil, aber die Kosten pro Arztbesuch steigen.» Stark steigende Kosten führen zu deutlich höheren Prämien im Jahr 2024 (admin.ch)

Der technische Fortschritt und veraltete Tarife führen zu Abrechnungsexzessen («Geldmaschine»: Arzt rechnet 26 Stunden pro Tag ab).

Wieso tritt das Problem auf?

Die Vision

„Die Prämien in der Obligatorischen Kranken- und Pflegeversicherung (OKP) entsprechen 2050 inflationsbereinigt den Prämien vom Jahr 2000, ohne dass Leistung und Qualität darunter leiden. „

Wir setzen uns für den Erhalt der hohen Qualität in der OKP ein, wobei die Kostenexplosion nicht nur gestoppt, sondern rückgängig gemacht werden muss. Dem Gewinnstreben der Leistungserbringenden, Apotheken und sonstigen Investor:innen im Rahmen der OKP muss ein Riegel geschoben werden, weil es die privaten und öffentlichen Haushalte in Schieflage bringt.

Es ist höchste Zeit, geeignete Massnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die die Kostenexplosion im Gesundheitswesen umkehren und die Kosten wie auch die Prämienlast auf den Stand vom Jahr 2000 (inflationsbereinigt) zurückbringen.

Die strukturellen Probleme des Gesundheitswesens dürfen nicht weiterhin auf dem Rücken der Prämienzahlenden ausgetragen und auf die lange Bank geschoben werden.

Die Tarifstrukturen sind darauf auszurichten, dass Anreize für Leistungserbringende bestehen, Behandlungen – wenn immer medizinisch möglich – effektiv und wirtschaftlich durchzuführen. (vgl. Vision Versorgungsstruktur).

Die Handlungsempfehlungen

Um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen, empfehlen wir die folgenden Massnahmen.

Transparenz: Ursachen der Kostenexplosion beim Namen nennen

Bisher behaupten die Verantwortlichen, die Kostenexplosion sei folgenden Fakten geschuldet: «Ein grosser Teil der Kostenzunahme ist auf die demografische Entwicklung, den medizinisch-technologischen Fortschritt sowie den zunehmenden Wohlstand zurückzuführen.» 6.3., S. 21 strategie-gesundheit-2030 (1).pdf. «Diese starke Kostenzunahme ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen: Die alternde Bevölkerung, neue Medikamente und Behandlungen sowie eine Zunahme der Gesundheitsleistungen, beispielsweise ambulante Spitalleistungen oder bei der Physiotherapie. Stark steigende Kosten führen zu deutlich höheren Prämien im Jahr 2024 (admin.ch) 

Wissenschaftliche Analysen zeigen jedoch ein anderes Bild bzgl. der Kostentreiber, so entfällt nur ein Siebtel der Kostensteigerung auf die Alterung; vgl. Wo die Kosten explodiert sind; Berner Zeitung vom 27.11.2023 / Schweiz.

Eine solche Analyse soll regelmässig von einer unabhängigen Stelle z. B. zu Handen des Preisüberwachers wiederholt werden.

Die Macht der Lobbyisten beschränken; die Vertretung der Prämienzahler stärken

Die Prämienzahlenden haben keine Stimme in den Gremien, die in unserem Gesundheitssystem entscheiden. Im Sinne einer demokratischen Erneuerung sind die Entscheidprozesse im Gesundheitswesen neu aufzustellen.

Das bisherige System in Frage stellen und die Prozesse überdenken

Eine oder mehrere ständige ausserparlamentarische Kommissionen soll eingesetzt werden, in der alle Stakeholder vertreten sind, vor allem aber Vertreter der Prämienzahlendeneine relevante, führende Rolle spielen.

Die Kommission(en) sollen ohne jedes Tabu Optionen für die folgende Fragestellungen erarbeiten (nicht abschliessend):

Wie können die Medikamentenpreise nachhaltig gesenkt werden (z. B. zentraler Einkauf für die gesamte Schweiz, ein zentrales Lager, Einheitsapotheke, …)?

Wie kann die Medikamentenabgabe effizienter gestaltet werden (z.B. In vielen Innenstädten besteht eine unnötige Apothekendichte (z.B. Ausschreibung / Versteigerung der Abgabe von Medikamenten nach PLZ, Versandapotheke, Selbstdispensation, Gesundheitszentren mit eigener Apotheke.)?

Wie kann die ambulante Leistung effizienter und kostengünstiger erbracht werden? (Gesundheitszentren z.B. als Stiftungen oder betrieben von Krankenkassen / der Einheitskrankenkasse; nur angestellte Ärzte in der OKP) 

Die Vorschläge sollen vom Parlament verabschiedet und ins KVG aufgenommen werden. Es besteht die Möglichkeit, das Referendum zu ergreifen.

Wahlfreiheit erhalten

Das neue Standardmodell in der OKP soll die Wahlfreiheit der Versicherten in der OKP nicht einschränken. Jede(r) derdies wünscht, kann weiterhin den Arzt oder die Apotheke frei wählen, muss aber die Differenz zum Standardmodell via Prämien oder privat tragen.

Über den Autor.

Wir danken unserem anonymen Autor ganz herzlich für seinen Beitrag. Die Ideen und Texte sind im Rahmen des Projekts „Vision Schweiz 2050“ des glp lab entstanden. Dabei wurden diese im Gesundheits-Team und z.T. mit externen Expert:innen diskutiert und kommentiert. Nichtsdestotrotz legen wir bei diesem Projekt wert darauf, dass individuelle und zum Teil unkonventionelle Sichtweisen und Ideen Raum finden. Aufgrund beruflicher Umstände zieht der Autor es vor nicht in der Öffentlichkeit zu stehen und ist daher anonymisiert.

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